Von Aydos nettem Bericht aus der Schweiz inspiriert, möchte ich mal ein bisschen aus Berlin berichten, wohin es mich die letzten 9 Wochen verschlagen hatte.
So ganz ohne Sport und besonders Eishockey geht das natürlich nicht, daher hab ich mir mal die "Großen Drei" des Berliner Eishockeys angeschaut.
Den Anfang musste natürlich das Spiel Eisbären gegen Tampa Bay bilden. Ich bin zwar kein so absoluter NHL-Junkie wie mein Ex-Balkonnachbar, aber so ein Spiel lässt man sich dann doch nicht entgehen. Spielverlauf und Ergebnis dürften ja hinlänglich bekannt sein (Falls nicht:
http://www.hockeyweb.de/artikel.php?a=39215). Tampa stürzte quasi direkt aus dem Flugzeug aufs Eis, dementsprechend gut konnten die engagierten Eisbären im ersten Drittel mithalten und sogar in Führung gehen. Aber spätestens als ab dem zweiten Drittel Tampa spielerisch und vorallem körperlich einen draufgelegt hat, war es dann doch eine klare Sache. Allein Lecavalier und St-Louis sind schon Sahneschnitten und waren ganz allein das überteuerte Eintrittsgeld wert. Lustig war, dass man wohl nach NHL-Regeln gespielt hat, das aber scheinbar keiner den Spielern gesagt hat, was für entsprechende Verwirrung sorgte. Zuschauerzahl war offiziell 11.800; kam mir etwas hochgelogen vor, aber das ist ja im Eishockey nix Neues. Fantechnisch fand ich die Eisbären o.k., nichts weltbewegendes, aber für eine Arena wirklich noch recht aktiv, gerade im Vergleich mit Köln oder Hamburg. Das Publikum war eine Mischung aus "netten" Eisbären-Fans (ich mitten drin) und NHL-Freaks samt Trikots aus dem ganzen Bundesgebiet, "normale" Eishockeyfans eher in der Unterzahl.
Die O2-World bietet dem Arena-erfahrenen Fan wenig Neues. Im Prinzip hat man einige Fehler der frühen Arene ausgemerzt, setzt natürlich auf ein Stadion-Restaurant wie in Hamburg und leider auch auf nervige Leuchtreklame zwischen Ober- und Unterrang. Interessant ist, dass hier die Trennung zwischen Pöbel und VIPs perfektioniert ist - die Wege sind fast komplett getrennt. Besonderer Nerv-Faktor: Auf jeder Ebene wird man von mindestens einer O2-Marketing-Uschi angesprochen, ob man nicht Konzertkarten gewinnen möchte. Obwohl - beim Spiel von ALBA wars noch schlimmer...
Das komplette Kontrastprogramm gab es dann 2 Wochen später in der Regionalliga Ost bei F.A.S.S. Berlin gegen Tornado Niesky. Eine richtig schöne, kleine, kalte Eissporthalle und nur ein paar Verrückte als Zuschauer - herrlich!
Das Spielniveau war wirklich viertklassig, aber trotzdem amüsant. Die Berliner hätten im Prinzip gewinnen müssen, waren aber weitgehend in Unterzahl. Meist ging nach einem Foul gleich noch einer wegen Meckern mit runter, da kommt man schon mal auf 96 Strafminuten. Besonders, wenn einer es sogar schafft, gleichtzeitig eine Spieldauer UND Matchstrafe zu bekommen - war mir neu, dass das geht. Mehr zum Spiel:
http://www.fass-berlin.de/2008-10-11_fass_niesky.htmlZuschauern waren 304 da, davon 120 aus Niesky: eine Fraktion "normale" Eishockeyfans, recht viel Ü60iger und natürlich die unvermeidliche ultraorientierte Gruppe kurzhaariger in schwarzen Pullovern. Auch dort wohl nicht unbedingt beliebt, jedenfalls stand man in unterschiedlichen Blöcken. Auch auf Berliner Seite gab es Fans, im ersten Drittel aber mit Schweigegelübde im Gedenken an die "Ausgesperrten" - auch in den unteren Ligen kann man Spaß und Stress haben. Ab dem zweiten Drittel hat man doch mal was von sich hören lassen (Mein Favorit: Wir sind wenige, aber geil) und man bot sich einen netten verbalen Schlagabtausch mit den Schwarzpullovern.
Spielertrainer bei F.A.S.S. ist übrigens ein gewisser Benjamin Hecker, der ein oder andere dürfte ihn noch kennen, ich hab ihn recht schnell am Laufstil wiedererkannt...
Und da ich nach dem Abriss der Jaffestraße leider nicht mit in der Deutschlandhalle war, musste das natürlich auch noch nachgeholt werden, zumal die demnächst auch noch platt gemacht werden soll. Also ging es zu den ECC Preussen Juniors, die, der Zufall wollte es so, gegen Tornado Niesky spielten. Beim ECC Preussen handelt es sich um den den Nach-Nach-Nach-Nachfolgeklub des BSC Preussen, die die alten unter uns noch aus der DEL kennen. Wer Näheres wissen möchte, sei auf die Seite des ECC verwiesen - in den letzten 10 Jahren sind sie glaub ich zum absoluten Pleitemeister aufgestiegen.
Auch hier tummelt sich eine Schar von Altinternationalen: Björn Leonhardt im Tor (mit unterirdischer Leistung), Marco Rentzsch als Spielertrainer in der Abwehr, im Sturm Jan Schertz und als Krönung war Heiko Dahle der Schiedsrichter.
Der ECC möchte aufsteigen, wird sich damit aber schwer tun, denn an diesem Abend stand die Mannschaft komplett neben sich, so dass Niesky verdient 4-3 gewinnen konnte, Spielbericht:
http://www.eccpreussen.de/News/NewsDetails.aspx?NewsID=999Niesky an diesem Tag nur mit einem Auto Schwarzpullovern und ca. 15 Fans dabei, der Rest der 577 Zuschauer verteilte sich auf die Haupttribüne (samt VIP-Bereich!) und die Fantribüne hinter dem Tor. Die Deutschlandhalle ist ja bekanntlich nur provisorisch für Eishockey umgebaut und so sieht es auch aus. Haupt- und Gegentribüne haben noch die originale Holzbestuhlung, hinter den Toren hat man Stahlrohr-Stehtribünen aufgebaut. Wirkt alles recht muffig und schrottig, hat aber Charme. Das Preussen-Publikum ist wohl weitgehend identisch mit den alten Preussen, sind jedenfalls eher ruhig und nur groß beim Meckern (Das Spiel war allerdings auch ein Rohrkrepierer). Richtig laut wurde es nur, als die DEL-Ergebnisse samt Eisbären-Rückstand durchgesagt wurden, da gab es dann auch mal hübsches Liedgut ;-)
Alles insgesamt sehr nett und für alle, die es nach mal Berlin verschlägt und dort zuviel Zeit haben, sehr zu empfehlen!