Eishockey-Deutschland, 3. Januar

Die Feiertage sind vorbei, der Alltag hat uns wieder. Wir stellen uns mit schlechtem Gewissen auf die Waage und machen beim Anblick der bitteren Wahrheit ein Gesicht, als stünden wir vor dem Kontoauszugsdrucker. Nach den Fressorgien der Feiertage, als man von Eltern, Großeltern und wem sonst alles noch überfüttert wurde, sind wir endlich wieder im normalen Lebensrhythmus. Hoffentlich werden auch einige Leute aus der Eishockey-Welt wieder normal, die über die Feiertage irgendwie neben der Spur lagen. Ob es an den vielen Kalorien lag? Oder an Zucker und Schokolade? Die ungewöhnliche Ernährung hatte bei einigen Menschen anscheinend nicht nur auf den Magen, sondern auch aufs Hirn geschlagen. Zum Beispiel bei den Hannover Scorpions: Da wurde Len Soccio von Fans als “schwule Sau” bezeichnet und mit Bier beworfen, er selbst soll daraufhin handgreiflich geworden sein. Ein Konflikt, den man sicherlich fröhlicher hätte gestalten können. Fans haben sich für die Angelegenheit entschuldigt, Schwamm drüber. Allerdings wundere ich mich über Leute, die “schwul” für ein Schimpfwort halten. Hier ist wohl eher schlechte Erziehung die Ursache als schlechte Ernährung. Ich habe noch nie gehört, dass jemand etwa als “Hetero-Schwein“ bezeichnet wurde.
Noch abgedrehter als das Verhalten der Hannoveraner war ein Beitrag in der “Eishockey News”. Da wurde dem sogenannten “Eventpublikum” (in gewissen Kreisen gilt das als Schimpfwort) unterstellt, es werfe sich schon mal in Pucks, die über die Bande fliegen, um Schmerzensgeld kassieren zu können. Ich habe schon viel Schwachsinn gelesen (und auch geschrieben, jaja), aber das schlägt wirklich alles... In genannter Zeitung wurde zusammengefasst folgende These aufgestellt: Es drohen uns Netze rund um die Eisflächen, weil Weicheier auf Schadenersatz klagen, statt die von Pucks zerdroschene Visage stolz als Statussymbol auf der Intensivstation herumzuzeigen. Leuchtet ein, nicht?
Da hat offensichtlich jemand schon einige Pucks in seinem Leben abbekommen oder sich zu Weihnachten hoffnungslos überfressen, mit gesundem Menschenverstand kann man diese Theorie jedenfalls nicht nachvollziehen. In der NHL kam ein Mädchen durch einen Puck ums Leben. Sollen wir der Eishockey News folgend daraus etwa schließen, dass Eishockey nichts für Mädchen ist? Es geht beim Thema Netze nicht um bekloppte “Eventies”, sondern um die (Un-)Verhältnismäßigkeit einer Industrienorm, also bekloppte Juristen, wenn überhaupt.
Ich bin strikt gegen Netze und nach wie vor gegen die Strafen wegen “Spielverzögerung”. Aber die Opfer verirrter Pucks verantwortlich zu machen, ist Unsinn. Wenn etwa Häuser aufgrund scharfer Brandschutzverordnungen so unattraktiv werden, dass sie sich nicht mehr vermieten lassen, macht man dann die Brandopfer dafür verantwortlich?

Nun noch eine Entschuldigung an Premiere. Sie haben entgegen meiner Befürchtungen doch Meldungen vom Spengler Cup gebracht. Die waren zwar falsch, aber wer wird denn Ansprüche stellen, wenn er noch den fetten Gänsebraten im Magen hat...

Nach all diesem unwichtigen Kram noch etwas wichtiges: Überall in der DEL und den anderen Ligen finden Spendenaktionen zugunsten der Flutopfer in Asien statt. Wieder einmal wird uns allen auf schmerzliche Weise bewusst gemacht, wie unwichtig der Sport ist. Oder diese Kolumne, oder fast unser gesamter Alltag. Lasst uns Spaß am Leben und am Eishockey haben, aber die wirklich wichtigen Dinge nicht aus den Augen verlieren und spenden. Jede noch so kleine Spende hilft.
Trotz allem oder gerade deswegen: Ein frohes und gesundes neues Jahr!
Alexander Brandt

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