Kleine Klauseln mit großer Wirkung
Während die Eintracht um ein Bestehen vor dem Schiedsgericht ringt, stellt sich die Frage nach den Hintergründen
Von Wolfgang Hettfleisch
"Einen Krimi" will Christoph Schickhardt bei seiner Ankunft in Frankfurt ausgemacht haben. Da liegt der Rechtsanwalt, der Eintracht Frankfurt die entzogene Lizenz für die Zweite Fußball-Bundesliga im anstehenden Schiedsgerichtsverfahren doch noch verschaffen will, ganz sicher richtig. Für Fans und andere Normalsterbliche ist der mit Rechtskniffen bis zur Sättigung durchtränkte Hickhack um Bankbürgschaft und Frist, Sondernklauseln und Rückbürgschaft kaum zu verstehen. Nur zu rekonstruieren, wie - und welchen Interessen und Einflüsterungen folgend - die Beteiligten der "Affäre Eintracht Frankfurt" in den entscheidenden Tagen gehandelt haben, ist schier unmöglich.
Klar ist inzwischen: Die Unterlagen, die der Eintracht-Aufsichtsratsvorsitzende Volker Sparmann und seine Entourage am Montag, 17. Juni, kurz nach 15 Uhr fristgerecht bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) eingereicht haben, waren nach übereinstimmender Aussage aller Parteien lupenrein. Was dann geschah, wird von der Eintracht AG und ihrem Rechtsbeistand Schickhardt auf der einen und der DFL und dem für die Lizenzerteilung zuständigen Ligaverband auf der anderen Seite juristisch unterschiedlich bewertet. Eben darum geht es in dem Verfahren des ständigen und unabhängigen Schiedsgerichts beim DFB, dem die Eintracht AG ihre Klageschrift gestern Abend zustellen wollte.
Schickhardt, ein begabter Redner und ebenso eloquenter wie scharfsinniger und charmanter Sachwalter der ihm übertragenen Aufgabe, trachtet die Rechtsposition der Gegenseite mit dem Argument zu erschüttern, mit den eingereichten Unterlagen seien zum geforderten Zeitpunkt alle Auflagen der Liga erfüllt gewesen - spätere Einwände oder Einschränkungen Dritter diesbezüglich seien irrelevant. Ergo stehe der Eintracht die Lizenz entgegen der Entscheidung des Ligaausschusses zu.
Die Verantwortlichen der DFL, wo das operative Geschäft des Ligaverbands betrieben und die Entscheidungen des Ligaausschusses zur Lizenzerteilung vorbereitet werden, sehen das naturgemäß anders. Nach ihrer Auffassung ergab die Prüfung aller vorliegenden Unterlagen und bekannten Sachverhalte - unter Einschluss der schriftlich erst nach der Deadline per Fax übermittelten Details zur Absicherung der Vier-Millionen-Euro-Bürgschaft der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) -, dass die Helaba nicht, wie gefordert, uneingeschränkt gebürgt hat. Die Liquidität des Klubs, so die Schlussfolgerung, sei mithin nicht im erforderlichen Umfang gegeben. Folge: keine Lizenz.
Schickhardt weiß natürlich um die Sollbruchstellen seines Argumentations-Gebäudes. Juristisch mag er das alles schlüssig herleiten und vertreten können, der gesunde Menschenverstand steht ihm und der Eintracht im Weg. Denn die Liga beraubte sich ihrer Grundlagen und büßte alle gebotene Redlichkeit des Lizenzierungsverfahrens ein, ließe sie einen Klub wider besseres Wissen zum Spielbetrieb zu, ohne dass der die wirtschaftlichen Bedingungen erfüllt hat. Der Eintracht-Anwalt verweist also vermutlich deshalb so vehement auf die Frist (die tatsächlich ja für die Klubs und keineswegs für die Entscheidung des Lizenzgebers gilt) und die "sauberen" Unterlagen, um davon abzulenken, dass von einer Erfüllung der Bedingungen nach Bekanntwerden der Kautelen der Rückbürgschaft keine Rede mehr sein kann.
Kleine Klauseln entfalten mitunter große Wirkung. So könnte, wenn die Details der Absicherung der Helaba-Bürgschaft durch die Landestochter Investitionsbank Hessen (IBH) vom Schiedsgericht zur Beurteilung des Falls herangezogen werden dürfen (was Schickhardt vermutlich zu verhindern trachten wird), rasch klar werden, dass die Bürgschaft der Helaba keineswegs, wie im Wortlaut behauptet, "unter Ausschluss jeglicher Einwendungen" gewährt wurde. Das wäre wohl nur dann "allein ein Problem zwischen Bürge und Rückbürge", wie Schickhardt sagt, wäre die DFL nicht alarmiert worden.
Gemäß der Vereinbarung der Helaba mit der IBH ist unter anderem Voraussetzung der Bürgschaft, dass die Spielergehälter der Eintracht-Kicker reduziert werden. Das aber ist blanke Fantasie, denn die Spielerverträge wären allenfalls über so genannte Änderungskündigungen aufzulösen. Ein Unterfangen mit höchst fragwürdigen Erfolgsaussichten, das der Eintracht AG beinahe zwangsläufig Klagen diverser Profis vor dem Arbeitsgericht eintrüge. Bankmanager wissen so etwas vermutlich nicht. DFL-Manager schon.
Die spannende Frage ganz im Sinne des Schickhardt'schen "Who dunnit?" bleibt: Wer hat weshalb die vorgeblich uneingeschränkte Gültigkeit der Vier-Millionen-Bürgschaft (nicht etwa die Bürgschaft selbst) widerrufen? Hier kommt die Politik ins Spiel. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat beizeiten klargestellt, dass es keine uneingeschränkte Bürgschaft geben werde - gleich lautend beschloss der Bürgschaftsausschuss des Landtags.
Wie aber konnten Sparmann und Co. dann bei der Helaba, einer Bank mit öffentlichem Auftrag und zu zehn Prozent in Landesbesitz, ein Dokument erlangen und bei der DFL einreichen, das Wort für Wort den Anforderungen der Liga-Gremien an eine uneingeschränkte Bürgschaft entsprach? Gab es eine Absprache zwischen Land und Eintracht AG, wonach die Bank einen Hinweis auf die Rückbürgschaft aus dem Papier streichen sollte, falls der Klub bis zum 17. Juni einen Investor vorweist? Und wenn ja, warum hat sie es getan, obwohl keine solche Unterschrift eines Eintracht-Geldgebers vorlag? Es sind noch viele Fragen zu beantworten. Nicht alle sind relevant für das Schiedsgericht, das das Schicksal der Eintracht in Händen hält. Wohl aber für die Allgemeinheit.
fr-aktuell.de/fr/spezial/2046
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